„Komm einmal her, hier sitzt was am Fenster“ ruft meine Frau. Folgsam, wie fast immer, wuchte ich mich aus meinem bequemen Sessel und entdecke eine grüne Langfühlerschrecke die außen an unserer Balkonfensterscheibe sitzt. Ihre Körperlänge schätze ich auf 2 cm.Die haardünnen Fühler weisen jeweils mehr als die doppelte Körperlänge auf. Über den Rücken verläuft ein gelbrauner Längsstrich. Vom Facettenauge aus zieht sich seitwärts ein feiner weißgelber Strich bis über das Halsschild. Ein Legebohrer am hinterem Körperende weist unsere Besucherin als Weibchen aus. Mit diesem bohren die Weibchen Löcher in rissige Rinde, um dort ihre befruchteten Eier abzulegen. Unsere Besucherin hat einen ziemlich runden Bauch. Ob in Ihm wohl Eier reifen? Oder hat sie zu viel gefressen? Ist die Körperhülle aus Chitin eigentlich dehnbar? Ich öffne das Fenster und die Besucherin hüpft auf den Fußboden und ich darf sie fotografieren. Der Besuch hat nun schon ziemlich lange gedauert und ich bin der Ansicht, eine Schrecke gehört nicht in eine menschliche Wohnung, sondern in die freie Natur. Also setze ich sie behutsam auf meine Hand und halte sie über das Balkongeländer. Aber die Schrecke empfindet den Platz auf meiner Hand anscheinend als bequem und sicher. jedenfalls untersucht sie die Kralle ihres linken Hinterbeines genüsslich mit ihren Fresswerkzeugen. Mir wird die Zeit lang, deshalb setze ich sie am Balkongeländer ab, wo sie ein wenig herumkrabbelt. Dann stürzt oder springt sie ab und landet unversehrt 8 Meter tiefer im Rasen. Fliegen kann sie nämlich nicht. Da ich mir nicht sicher bin, ob die Besucherin eine Punktierte oder eine Südliche Zartschrecke ist, schicke ich die Fotos zur Begutachtung an Herrn Dr. Röller, der ordnet die Schrecke als weibliche „Punktierte Zartschrecke“ (Leptophyes punctatissima) ein.